Das neue „Influencer“-Gesetz – Zur Kennzeichnungspflicht von Werbung in sozialen Netzwerken

2.09.2021 | Werberecht, Wettbewerbsrecht

Reine Information oder schon Schleichwerbung?

 

InfluencerInnen zeigen uns tagtäglich neue Welten – sie nehmen uns mit auf Reisen zu den atemberaubendsten Plätzen der Welt, zeigen und das beste Essen, das neueste Sportequipment, Produkte aus dem Bereich Lifestyle, Fashion und vieles mehr. Innerhalb ihrer Postings, insbesondere auf Instagram, empfehlen sie oftmals Markenprodukte, Hotels, Gastronomie, und weitere Inhalte fremder Unternehmen. Dabei sind die Grenzen zwischen privaten Meinungsäußerungen und kommerziellen, werbenden Inhalten fließend. Dies birgt erhebliche rechtliche Risiken für den/die jeweilige/n InfluencerInnen und ggf. auch für die Unternehmen, welche sich die Influencer als „Werbekanäle“ bedienen.

Wird das Wettbewerbsrecht missachtet, drohen häufig rechtliche Maßnahmen, eingeleitet von einer Abmahnung: Angriffspunkte sind hier regelmäßig die Tatbestände irreführender Werbung bzw. Schleichwerbung, § 5 Abs. 1, 5a Abs. 6 UWG. Eine solche kommt insbesondere bei der fehlenden Kennzeichnung von Werbung in Betracht. Zahlreiche Gerichte sind hier beschäftigt. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird hierzu in Kürze erwartet.

 

Hintergrund des neuen „Influencer“-Gesetzes

 

Die sich immer wiederholende, und von den Gerichten teils sehr unterschiedlich beantwortete, Frage lautet: In welchen Fällen sind InfluencerInnen zur Kennzeichnung von Werbung verpflichtet?

Die Antwort auf diese Frage ist umstritten. Wann eine bloße Meinungsäußerung und wann ein geschäftsmäßiges Werben vorliegt, das eine Kennzeichnung als Werbung erfordert, war und ist für InfluencerInnen nur schwer erkennbar. Dies führt nach wie vor zu erheblichen Rechtsunsicherheiten und öffentlichen Diskussionen.

Am 11. Juni 2021 hat der Deutsche Bundestag nun das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht beschlossen. Dieses wird auch einen erheblichen Einfluss auf den Alltag von InfluencerInnen haben. Erklärtes Ziel ist mehr Rechtssicherheit durch ein spezifisches Regelungsregime. Das Gesetz tritt am 28. Mai 2022 in Kraft.

In Zukunft ist für den Bereich der Schleichwerbung zugunsten fremder Unternehmen geregelt: Nur wenn es eine Gegenleistung gibt, muss ein Beitrag, der ein fremdes Produkt/Unternehmen nennt, als Werbung gekennzeichnet werden.

 

Beispiele aus der bisherigen Rechtsprechung

 

Die Rechtsprechung in Bezug auf Influencer-Marketing war in den vergangenen Jahren uneinheitlich und teilweise schwer zu durchschauen. Insbesondere solche Postings, in denen die InfluencerInnen eigenfinanzierte Produkte vorstellen und über sog. Tap Tags mit den jeweiligen Marken/Unternehmen verlinken, waren oftmals Gegenstand streitiger Auseinandersetzungen. Nicht zuletzt erregten die Fälle einiger bekannter InfluencerInnen große mediale Aufmerksamkeit.

So verlor etwa eine bekannte Influencerin vor dem OLG Karlsruhe (Urt. v. 09. September 2020, Az. 6 U 38/1) einen Prozess um Schleichwerbung. Sie hatte Postings nicht als Werbung gekennzeichnet, da sie von den Unternehmen keine Gegenleistung erhielt. Gleichwohl hatte die Influencerin Tap Tags zugefügt. Das Gericht urteilte, dass die Tap Tags geschäftliche Handlungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellten und daher als Werbung zu kennzeichnen seien. Bei den betreffenden Posts sei der kommerzielle Zweck – zur Förderung ihres eigenen und des fremden Unternehmens – der geschäftlichen Handlung nicht ausreichend im Sinne des § 5a Abs. 6 UWG gekennzeichnet gewesen. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe sei es irrelevant, ob die Influencerin eine Gegenleistung erhalten habe oder nicht. Eine Kennzeichnung der streitgegenständlichen Posts sei wegen der Offensichtlichkeit des kommerziellen Zwecks unentbehrlich.

Eine andere Influencerin dagegen gewann vor dem Oberlandesgericht München in einem ähnlich gelagerten Fall um Schleichwerbung – hier verneinte das Gericht (OLG München – Urteil vom 25. Juni 2020 – 29 U 2333/19) eine Pflicht zur werblichen Kennzeichnung ihrer Postings mit Tap Tags. Auch sie hatte für diese keine Gegenleistung erhalten. Das Gericht urteilte, dass allein die Intention, durch die Posts auch bezahlte Partnerschaften zu akquirieren, nicht ausreiche, um einen Post als geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu qualifizieren. Darüber hinaus handele es sich nicht um Schleichwerbung nach § 5a Abs. 6 UWG, „da sich der kommerzielle Zweck, der Wertsteigerung des Images, für die angesprochenen Verkehrskreise unmittelbar aus den Umständen ergebe und es daher einer Kennzeichnung als Werbung nicht bedürfe“ (OLG München – Urteil vom 25. Juni 2020 – 29 U 2333/19).

Mitunter diese Unklarheiten aufgrund der divergierenden Rechtsprechung sollen durch das neue Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht beseitigt werden.

 

Neues Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht

 

Besonders relevant für InfluencerInnen ist zum einen die Neufassung der Legaldefinition der geschäftlichen Handlung und zum anderen des § 5a Abs. 4 UWG n.F. zur Schleichwerbung, die gegenwärtig in § 5a Abs. 6 UWG geregelt ist.

 

Neue Legaldefinition der „geschäftlichen Handlung

 

Der für das Wettbewerbsrecht zentrale Begriff der „geschäftlichen Handlung“ i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG n.F. wurde erweitert.

Dieser lautet nun (Hervorhebungen und Einfügung […] nur hier; Gesetzesbegründung, S. 7):

„2. „geschäftliche Handlung“ [ist] jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder  Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienstleistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen;“

 

Die Aufnahme der digitalen Inhalte und digitale Dienstleistungen wurden auch nach bisheriger Rechtsprechung bereits im Wege der Auslegung erfasst. Die Aufnahme dient somit lediglich der Klarstellung.

 

Relevant ist aber folgende Neuerung:

Der Begriff der „geschäftlichen Handlung“ setzt nunmehr einen unmittelbaren und objektiven Zusammenhang zwischen dem Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens und der Absatzförderung voraus.

Für den Bereich der InfluencerInnen ist diese ausdrückliche Regelung wichtig. Nach der Gesetzesbegründung sei es möglich, dass bei bestimmten Formen der Förderung des  eigenen Unternehmens kein unmittelbarer Zusammenhang zur Absatzförderung besteht.

 

Als Beispiel wird in der Gesetzesbegründung der Fall angeführt, dass ein Influencer „Waren oder Dienstleistungen empfiehlt oder erwähnt und hierfür kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erhalten hat und die Erwähnung gegebenenfalls lediglich ihre oder seine eigene Bekanntheit fördert.“ (S. 32)

Erhält der Influencer durch die Empfehlung/Erwähnung in einem Post also keine Gegenleistung, sondern fördert lediglich die eigene Bekanntheit, so ist ein unmittelbarer Zusammenhang zu verneinen. Eine geschäftliche Handlung i.S. des §  2 Abs. 1 Nr. 2 UWG n.F. wäre dann abzulehnen.

 

Darüber hinaus wurde die gesetzliche Regelung zur Schleichwerbung ergänzt und lautet nun wie folgt, § 5a Abs. 4 UWG n.F.(Hervorhebungen nur hier):

„(4) Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmers nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmer erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.

 

Der Anwendungsbereich in § 5a Abs. 4 Satz 1 UWG n.F. wurde neben Verbrauchern um sonstige Marktteilnehmer erweitert.

Der neue Satz 2 soll Klarstellung hinsichtlich der Frage schaffen, ob eine Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens vorliegt und ist damit für den Bereich der Schleichwerbung relevant.

Sofern Influencer/-innen Waren oder Dienstleistungen empfehlen, ohne davon selbst unmittelbar finanziell zu profitieren, soll keine kennzeichnungspflichtige Werbung mehr vorliegen. Was dies im Einzelfall konkret bedeutet und welche Voraussetzungen vorliegen müssen wird nachfolgend näher dargestellt.

 

  • Was konkret fällt unter den Begriff „ähnliche Gegenleistung“?

 

Nach der Gesetzesbegründung umfasst der Begriff Folgendes:

  • Provisionen
  • Produkte, die von fremden Unternehmen zugesandt wurden und die der Handelnde nutzen oder behalten darf
  • Pressereisen
  • Stellung von Ausrüstung
  • Kostenübernahmen

 

Ausreichend sei auch, dass die Gegenleistung nur vorübergehender Natur ist. Die Gegenleistung müsse nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang erfolgen.

 

Dass somit auch lediglich kostenlos zugesandte Produkte unter die Norm und damit unter die Kennzeichnungspflicht fallen sollen, ist in Anbetracht des Wortlauts „Gegenleistung“ doch verwunderlich und erscheint in Anbetracht der vielen denkbaren Produktkategorien differenzierungswürdig. Es dürfte auch hinsichtlich der „Befangenheit“ des Influencers einen erheblichen Unterschied machen, ob eine Creme mit dem Wert weniger Euro zugesandt wird oder etwa ein E-Bike. Hier stellt sich auch die Frage, ob der Zugriff auf den Influencer in jedem Fall (etwa im „Creme-Beispiel“) der richtige Ansatz ist.

 

  • Nicht darunter fallen nach der Gesetzesbegründung:
    • Die bloße Steigerung der eigenen Bekanntheit
    • Die reine Hoffnung auf eine Gegenleistung

 

  • Wie muss die Gegenleistung veranlasst worden sein?
    • Sie müsse von dem Unternehmen veranlasst worden sein, zu Gunsten dessen die Handlung erfolgt
    • Die Gewährung über beauftragte Dritte, z.B. einer Agentur werde dem Unternehmer zugerechnet
    • Nicht erfasst werde dagegen eine nicht veranlasste Gegenleistung durch unabhängige Dritte

 

  • Zu beachten ist, dass Satz 3 der Vorschrift eine Vermutungsregelung dahingehend aufstellt, dass eine Gegenleistung gewährt oder versprochen wurde.

 

Im Rahmen einer streitigen Auseinandersetzung liegt die Beweislast, dass keine Gegenleistung empfangen wurde, also grundsätzlich bei dem/der InfluencerIn. Insoweit stellt die Regelung eine gewisse Verschärfung üblicher Regelungen zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast dar, weil der Influencer sonst wohl nur sekundär Darlegungsbelastet wäre. Entschärft wird die Beweislastumkehr jedoch durch ein abgesenktes „Beweismaß“, denn eine Glaubhaftmachung durch den Influencer reicht aus. Es ist nicht erforderlich, dass dieser einen Vollbeweis erbringt.

  • Mittel der Glaubhaftmachung nach der Gesetzesbegründung:
  • Quittung über den Kauf des erwähnten Produkts
  • Bestätigung des Unternehmers, dass keine Gegenleistung für die Äußerung erfolgt ist
  • eidesstattliche Versicherung des/der InfluencerIn

 

Auswirkungen auf die Praxis und Ausblick

 

Das neue Influencer Gesetz ist aufgrund der erfolgten Klarstellungen zur Schaffung von mehr Rechtssicherheit begrüßenswert.

 Insbesondere das immer wieder auftauchende Problem der Schleichwerbung zugunsten fremder Unternehmen scheint nunmehr relativ einheitlich gelöst.

 Wer zukünftig fremde Produkte aus eigenen Mitteln erwirbt und dann empfiehlt oder verlinkt, muss nach der neuen Gesetzesbegründung keine Kennzeichnung als Werbung mehr vornehmen, sofern auch sonst keine Gegenleistung gewährt wurde. Der Aufbau der eigenen Bekanntheit ist nicht als ähnliche Gegenleistung zu verstehen.

Die Schattenseite der Beweislastumkehr dürfte in der Praxis aufgrund der Möglichkeit der eidesstattlichen Versicherung kaum Probleme bereiten.

Die Frage, wann eine Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens kennzeichnungspflichtig ist, hängt allerdings auch nach den Neuerungen nicht allein vom Erhalt eines Entgelts ab – § 5a Abs. 4 Satz 2 UWG n.F. gilt hier nicht. Entscheidend bleibt insoweit, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zum Absatz von Produkten vorliegt. Dieser wurde jedenfalls in der Gesetzesbegründung verneint, bei der reinen Förderung der eigenen Bekanntheit, da dann keine unmittelbare „geschäftliche Handlung“ vorliegt. In diesem Bereich sind jedoch weiterhin Konstellationen denkbar, die von den Gerichten unterschiedlich gelöst werden könnten.

Dr. Martin Wintermeier

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Laura Höldrich-Wölke

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